Warum ich Zertifizierungen für Barrierefreiheit sinnvoll finde

Das Thema Barrierefreiheit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Der European Accessibility Act schreibt ab 2025 verbindliche Anforderungen für Produkte und Dienstleistungen vor. Damit steigt auch der Bedarf an Fachleuten, die Unternehmen bei der barrierefreien Gestaltung ihrer Websites und Apps unterstützen.

Doch was zeichnet eine Barrierefreiheits-Expertin oder einen -Experten aus? Woher weiß ich, dass jemand tatsächlich Ahnung hat oder nur mit Schlagwörtern um sich wirft?

Aus meiner Sicht spielen anerkannte Zertifizierungen hierbei eine wichtige Rolle. In diesem Artikel möchte ich auf die Vor- und Nachteile von Accessibility-Zertifizierungen eingehen und eine Definition wagen, welche Skills man von Fachleuten erwarten kann.

Eine Frau im Rollstuhl. Sie balanciert einen Laptop auf ihren Knien. Foto: © Marcus Aurelius / pexels.com

Hinweis: Ich habe 2019 das Zertifikat „Certified Web Accessibility Expert" der UBIT-Akademie incite erworben. Seit Anfang 2023 bin ich „IAAP Certified Professional in Accessibility Core Competencies (CPACC)“ (Nachweis bei Credly).

Mindestanforderungen an Expert:innen

Barrierefreiheits-Expert:innen sollten Empathie für Menschen mit Behinderung mitbringen. Sie sollten ein aufrichtiges Interesse am Alltag dieser Menschen haben und versuchen, sich in ihre jeweilige Situation hineinzuversetzen:

  • Wie surfen blinde Menschen mithilfe eines Screenreaders im Internet?
  • Unter welchen Bedingungen können Personen mit motorischer Beeinträchtigung eine Website alleine mit der Tastatur bedienen?
  • Wann sind Video- und Audioinhalte auch für gehörlose Menschen barrierefrei?
  • usw.

Eine Expertin oder Experte muss die verschiedenen Nutzergruppen und assistiven Technologien kennen. Dazu zählen Bildschirmlupen, Hochkontrast-Modus, Screenreader, Spracheingabe-Software, Tastaturen, und viele mehr.

Wissen über die relevanten Normen und Gesetze sind eine weitere Mindestanforderung. Dazu zählen sowohl die Erfolgskriterien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), der europäische Standard EN 301 549 sowie relevante nationale Gesetze wie etwa das österreichische Barrierefreiheitsgesetz (BaFG).

Darüber hinaus sollten Accessibility-Expert:innen auch Erfahrung im Testen auf Barrierefreiheit mitbringen. Sie müssen beurteilen können, ob eine Website bzw. App konkrete Kriterien einhält, und Lösungswege für gefundene Barrieren aufzeigen können.

Barrierefreiheits-Zertifizierungen

Verschiedene Institutionen bieten Zertifizierungen zum Thema Barrierefreiheit an. Es gibt nationale Zertifizierungsstellen wie etwa die UBIT-Akademie incite in Österreich. Diese bietet die Zertifizierung zum Certified WebAccessibility Expert an.

Die International Association of Accessibility Professionals (IAAP) bietet gleich mehrere Zertifizierungen an, darunter etwa den Certified Professional in Accessibility Core Competencies (CPACC) und den Web Accessibility Specialist (WAS). Accessibility-Expert:innen sollen gezielt beim Aufbau von Expertise unterstützt werden.

Welche Vor- und Nachteile bieten solche Zertifizierungen?

Vorteile

  • Erhöhte Glaubwürdigkeit: Eine Zertifizierung ist ein Nachweis, dass man über bestimmte Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt. Dies unterstreicht die Glaubwürdigkeit von Expert:innen.
  • Einheitlicher Standard: Um eine Zertifizierung zu erwerben, müssen Interessierte in Prüfungen bzw. Einzelgesprächen ihr Wissen über konkrete Inhalte unter Beweis stellen. Seriöse Institutionen definieren hierfür einen öffentlich zugänglichen Syllabus, der diese Inhalte transparent macht.
  • Community für Austausch und Weiterbildung: Die IAAP unterstützt die Vernetzung von Accessibility-Expert:innen mit Online-Foren, Webinaren und verschiedenen Veranstaltungen.

Nachteile

  • Kosten: Eine Zertifizierung ist nicht gratis. Der CPACC kostet zum Beispiel knapp 500 US-Dollar (für Mitglieder etwas weniger). Nicht jeder kann sich das leisten. Im Vergleich zu vielen anderen Zertifizierungen im IT-Bereich finde ich den Preis jedoch sehr moderat.
  • Kognitive Barriere: Oft besteht eine Zertifizierung aus einem Multiple-Choice-Test mit unzähligen Fragen. Zum Beispiel muss man beim CPACC ganze 100 Fragen in zwei Stunden beantworten. Das ist anstrengend. Für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung kann das auch eine unüberwindbare Barriere darstellen.

Fazit

Aus meiner Sicht sind Barrierefreiheits-Zertifizierungen eine sinnvolle Sache. Sie stellen einen einheitlichen, transparenten Nachweis für konkrete Fähigkeiten dar. Sie helfen Unternehmen dabei, echte Expertinnen von Schaumschlägern zu unterscheiden.

Müssen alle Accessibility-Expert:innen eine Zertifizierung machen? Natürlich nicht. Es gibt auch andere Mittel und Wege, seine Expertise unter Beweis zu stellen. Etwa indem man schon viele Jahre barrierefreie Websites oder Apps gestaltet und diese als Referenzen vorweisen kann.

Ich bin jedenfalls froh über meine Zertifizierungen. Sie stellen zentrale Meilensteine in meiner Laufbahn als Barrierefreiheits-Experte dar. Und das erworbene Abzeichen sieht einfach cool aus! 😉

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